KATHARINA HANDERMANN

Nicht selten werde ich gefragt, wie ich Strafverteidigung mit meinem Gewissen vereinbaren könne. Einen Schwerverbrecher, insbesondere wenn ich doch wisse, dass er die ihm vorgeworfene Tat tatsächlich begangen hat, trotzdem zu vertreten […] Dann folgt in der Regel erstmal ein minutenlanger Monolog, wie unfair und lasch unser Rechtssystem sei, insbesondere im Hinblick auf Sexualverbrechen […]
Meines Erachtens ist dies eine recht oberflächliche und primitive Haltung, die aber schlicht und ergreifend mit fehlender Kenntnis – was selbstverständlich nicht als Vorwurf zu verstehen ist – zu erklären ist. So versuche ich meistens die Komplexität sowie Faszination meiner Berufswahl etwas näher zu erklären. 

Zunächst hat jeder Beschuldigte, unabhängig vom jeweiligen Strafvorwurf ein Recht auf – vorurteilsfreie, engagierte und kompetente – Verteidigung. Dies ist auch in der Strafprozessordnung (StPO) normiert. Nach § 137 Abs. 1 S. 1 StPO kann sich der Beschuldigte in jeder Lage des Verfahrens des Beistandes eines Verteidigers bedienen. Gemäß § 137 Abs. 1 S. 2 StPO darf man sogar bis zu drei gewählte Verteidiger gleichzeitig beauftragen.

Wichtig und entscheidend ist weiterhin, dass der Strafverteidiger Menschen verteidigt und nicht dessen Taten. Als reiner Interessenvertreter stehen Strafverteidiger und Strafverteidigerinnen nur für die Rechte des Mandanten ein. Darin besteht auch die Kunst, die Interessen des Mandanten in dem Spannungsfeld der staatlichen Monopolstellung (Polizei, Staatsanwaltschaft oder auch Steuerfahndung) bestmöglich zu verteidigen. Der Strafverteidiger muss somit in der Lage sein, den Standpunkt sowie die Belange des Mandanten engagiert und kompetent durchzusetzen. Er muss diplomatisch sowohl dem Gericht als auch der Staatsanwaltschaft die Stirn bieten können, da die Aufgaben des Strafverteidigers stets mit dem Aufeinanderprallen entgegengesetzter Auffassungen und Interessen verbunden ist.

Nichtdestotrotz sollte man nicht außer Acht lassen, dass ein Strafverfahren auch für den jeweiligen Betroffenen mit erheblichen Belastungen verbunden sein kann.

So können Sie selbstverständlich auch als Unschuldiger ins Visier der Behörden gelangen, sodass Sie stets frühzeitig einen Strafverteidiger oder Strafverteidigerin beauftragen sollten. Gute Strafverteidigung setzt bereits im Ermittlungsverfahren an. Ziel einer effektiven Strafverteidigung ist eine schnelle sowie möglichst „geräuschlose“ Einstellung des Verfahrens bestenfalls schon im Ermittlungsverfahren, um eine belastende und auch kostenintensive Hauptverhandlung zu vermeiden.